Produktionsstillstand - Prüfplanung eine Ursache

Erstellt von Dr. Torsten Sievers | | News

Welcher Qualitäter oder Entwickler kennt es nicht? Die Horrormeldung schlechthin: Produktionsstopp!! Mit flauem Gefühl im Bauch und dem Bewusstsein, dass jede Minute Stillstand Geld kostet, macht man sich an die Arbeit. Man prüft, sucht und findet am Ende den Fehler. Teile werden gesperrt, Korrekturen werden vorgenommen und Ersatz wird beschafft. Mit viel Aufwand in verschiedenen Abteilungen und teils großem persönlichen Einsatz der Mitarbeiter läuft die Produktion wieder an. Vielleicht denkt man Hinterkopf noch “Puh Glück gehabt”, weil die Produktion nicht zu lange unterbrochen werden musste. Wirft man einen genaueren Blick auf die Situation, ist es im Grunde fast immer das Gleiche. Irgendwo in der Fertigung tauchen fehlerhafte Teile auf, korrekte Teile passen plötzlich nicht mehr zusammen, die Software funktioniert nicht mehr auf der Hardware, etc. Ein überraschendes Problem, das sich lösen lässt. Aber das eigentliche Problem wird oft übersehen: Prozesse, Abläufe, Planung, Vorbereitung, etc. Ein wesentlicher Faktor ist eine unzureichende oder fehlende Prüfplanung.

Prüfplanung der Einstieg in eine beherrschte Fertigung

Grundlagen und allgemeine Informationen

Was ist Prüfplanung?

Kurz formuliert ist Prüfplanung die Aufgabe sich im Vorfeld zu überlegen, was getan werden muss, damit nur gute Teile, Komponenten, Materialien etc. in der Fertigung verarbeitet werden und es zu keinen Konflikten kommt. Das Ergebnis derPrüfplanung sind Prüfpläne. In anderen Worten: in der Prüfplanung wird festgelegt, was später während der Produktion geprüft wird.

Diese einfachen Sätze beschreiben natürlich ein Idealbild. Denn eine perfekte Prüfplanung und damit Qualitätssicherung wird es nie geben. Warum? Es gibt Risiken, die man im Vorfeld nicht kannte, oder die bei bestem Wissen und Gewissen und mit aller technischer Kompetenz nicht vorhersehbar waren. Zudem kosten Prüfungen in der Qualitätssicherung Geld. D.h. heißt es muss eine Balance gefunden werden, zwischen Kosten/Aufwand und Ergebnis. Zudem unterliegt die Fertigung ebenso wie Bauteile, Programme und Materialien, etc. den normalen und üblichen Änderungen, die sich teils aus äußeren (bspw. Materialverfügbarkeit) und teils aus innerer (bspw. konstruktive Korrektur) Notwendigkeit ergeben. Zudem kann die Prüfplanung durch Gleichteileverwendung, durch viele komplexe Produktionsschritte oder durch eine riesige Variantenvielfalt beliebig kompliziert werden. Daher ist das Idealbild, das oben mit den einfachen Sätzen beschrieben wird, kaum zu erreichen.

Diese einfache Definition hebt jedoch einen wesentlich Punkt hervor: Zuerst denken, dann handeln. 

Warum wird Qualität nicht richtig geplant?

Hierfür gibt es viele verständliche und nachvollziehbare Gründe:

  • Neuproduktprojekte haben Verzug und müssen möglichst schnell fertig werden. Hierdurch fehlt die Zeit sich Gedanken über Themen zu machen, die im Moment nicht drängen.
  • Die Fertigung produziert seit vielen Jahren und der Fokus liegt auf Neuprodukten. Never touch a running system - hat ja bisher auch funktioniert. Dabei wird oft übersehen, ob die Fertigung wirklich funktioniert (running) oder eher immer wieder Probleme bereitet (struggeling).
  • Der Absatz ist gewachsen, das Unternehmen ist gewachsen, früher waren ein paar Mitarbeiter beteiligt heute sind es viele Mitarbeiter. Allerdings wurde das System nie angepasst.
  • Die Fertigung stockt immer wieder. Es treten, wie in der Einleitung beschrieben, oft Probleme auf. Durch die schiere Häufigkeit fehlt jedoch die Zeit, sich hinzusetzten und das Problem nachhaltig zu lösen. Klassisches Fire Fighting ist oft ein Zeichen reaktiver statt proaktiver, planender und planbarer Qualität.

Dies sind nur einige wenige Beispiele und die Liste ließe sich beliebig verlängern. Wenn man aber genauer hinschaut, ist die Ursache meist fehlende Zeit (Stichwort Überlastung), fehlende oder unpassende Prozesse (bspw. durch Unternehmenswachstum) und fehlendes, strukturiertes Know-How.

Prüfplanung - Kompakt

Wie funktioniert Prüfplanung?

Das einfachste und einprägsamste Verfahren ist das 7W-Vorgehen. Es entspricht im Grund dem Vorgehen bei einem Notruf. Mit 7 W-Fragen hilft dieses Verfahren alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen.

7W

Klingt einfach. Ist es im Grunde auch. Wie so oft steckt der Teufel im Detail. Denn die Entscheidungen und Abwägungen zu den einzelnen Fragen benötigen Wissen aus verschiedenen Abteilungen.

Die Fragen im Einzelnen

Warum soll geprüft werden? - Prüfnotwendigkeit

Mit der Frage nach der Prüfnotwendigkeit wird sichergestellt, dass nur Artikel der Prüfung unterliegen, für die es auch wirklich notwendig ist. Es gibt immer Artikel bei denen es offensichtlich ist, dass geprüft oder nicht geprüft werden muss. Bei manchen Teilen ist die Antwort schwieriger. 

Was soll geprüft werden? - Prüfmerkmale

Nachdem geklärt wurde, dass eine Prüfung notwendig ist, ist die Frage zu beantworten welche Merkmale oder Eigenschaften geprüft werden sollen.

Wie soll geprüft werden? - Prüfmethode festlegen

Zu jedem Merkmal oder jeder Eigenschaft, die geprüft wird, ist die Prüfmethode festzulegen (Werte oder Einschätzung, dokumentiert oder nicht dokumentiert). Achtung: nicht mit Prüfmittel verwechseln, das kommt später.

Wieviel soll geprüft werden? - Prüfschärfe

Die Wieviel-Frage oder auch Prüfschärfe legt fest wie viele Teile zur Prüfung herangezogen werden. Je mehr Teile geprüft werden, desto länger dauert die Prüfung und umso teurer ist die Prüfung. Werden aber zu wenig Teile geprüft, ist die Chance, Fehler zu finden, zu gering.

Wer soll die Prüfung durchführen? - Prüfpersonal bzw. Prüfabteilung

Diese Frage fällt oft mit der Wo-Frage zusammen, da über das Personal auch der Ort oder umgekehrt festgelegt wird. Kernpunkt ist bei der Wer-Frage geeignetes Personal auf Basis der Kompetenzen und Kapazitäten auszuwählen.

Wo soll geprüft werden? - Prüfort

Der Prüfort hängt oft mir der Wer-Frage zusammen. Daher beeinflussen sich diese Fragen sehr stark. Mit der WO-Frage wird ermittelt, wo im Fertigungsprozess die Prüfung sinnvoll ist und welcher Ort geeignete Bedingungen (Platz, Umgebungsbedingungen, etc.) für die Prüfung bietet.

Womit soll geprüft werden? - Prüfmittel

Ganz zum Schluss kommt die Gretchen-Frage: Mit welchem Prüfmittel soll eigentlich geprüft werden. Hierbei ist es wichtig die Eignung eines Prüfmittels für die Prüfung zu ermitteln.

Wen all diese Fragen beantwortet und das Ergebnis dokumentiert wird. Ist man einen großen Schritt näher an einer beherrschten Fertigung. Und selbstverständlich darf man bei Problemen wie Fertigungsstopp nicht vergessen, die Prüfplanung zu aktualisieren. Das geht aber auf dieser Basis viel einfacher.

Natürlich stellt diese Kompaktanleitung eine sehr grobe Vereinfachung dar. Alle Aspekte zu berücksichtigen füllt Bücher und hier soll ja nur ein Denkanstoß und ein Best-Practice-Beispiel vermittelt werden.

Fazit

Prüfplanung ist ein mächtiges Werkzeug, um proaktiv Probleme in der Fertigung und auch Fertigungsstopps zu vermeiden. Damit lassen sich einerseits Kosten sparen und andererseits der Überlastung der Mitarbeiter durch Fire Fighting entgegenwirken. Natürlich ist auch Prüfplanung nicht umsonst und verusacht durch den Aufwand der Planung Kosten. Doch diese Kosten werden durch eine stabil laufende Fertigung und durch beherrschte Qualität mehr als kompensiert.

Natürlich ist Prüfplanung wie auch das gesamte Qualitätsmanagement keine Einmalaufgabe, sondern unterliegt der kontinuierlichen Anpassung, Korrektur und Verbesserung.

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